test
|
Suhl 7. November; Berlin/ Leipzig 5.-6. Dezember 1998 ; Görgwitz
9.Januar 1999
Von Olaf. Erstmals
erschienen im "Skinup # 51" im Sommer 1999
Tourbericht:
7.11. Suhl, 5. - 6.12.Berlin und Leipzig, 9.1. Görkwitz
oder:
Mit Handy, Whirlpool, Marmorbad,
sind Deutschlandtouren gar nicht fad'
Die Frage ist: ,,Wie nennt man das?"
Die Antwort lautet: ,,Working Class"!!!
Es war mal wieder
so weit, wir mußten unseren jährlichen Verpflichtungen nachgehen,
die da heißen: in Berlin und in Leipzig je ein Konzert geben und
davor und danach den jeweils ortsansässigen Suchtkranken eine kleine
Lektion zu erteilen, was es wirklich bedeutet, mit Alkohol Mißbrauch
zu treiben.
Doch vor diese
Kür hatte uns der Bog eine kleine Pflicht gestellt, und zwar das
Konzert in Suhl. Eigentlich wollten wir es ja einfach in den Bandannalen
verschwinden lassen, doch im Endeffekt einigten wir uns doch darauf,
ein paar Sätze darüber zu verlieren. Eigentlich hätte für den 7.11.
das alljährliche Konzert in Görkwitz bei Schleiz auf dem Plan gestanden,
doch durch Zufall erfuhren wir, daß "Pöbel & Gesocks" am selben
Tag 100 km weiter in Suhl spielen würden. Geschäftstüchtig, wie
wir sind, und natürlich auch Dank des Veranstalters Völker aus Görkwitz,
der Verständnis für die Situation hatte, verschoben wir unseren
Gig in Görkwitz auf den 09.01.99 und spielten in Suhl zusammen mit
"P&G"
Ich will nicht
allzu viele Worte darüber verlieren, aber es ist schon sehr bezeichnend,
wenn wir schon nach einer Stunde die Spiellaune verlieren, und auch
P ~ 6 mehrmals ihre Darbietung unterbrachen, um rechte Arme zu brechen,
bzw. für einen halbwegs unblutigen Abend zu sorgen. Dem Veranstalter
ist eigentlich nur der Vorwurf zu machen, daß seine Ordner mehr
darauf geachtet haben, daß keine Pfandflaschen aus dem Backstage
wandern, aber weniger darauf das sich ,,rechtes" (sollen wohl Suhler
Glatzen sein) und ,,linkes" (sollen wohl Suhler Punks sein) Volk
eine Schlacht liefern. Von der uns gebotenen Ubernachtungsmöglichkeit
in einem Haus, das sicher schon bessere Zeiten gesehen hatte, möchte
ich jetzt nur soviel berichten, daß es ganz toll war (wenn man darauf
steht, in einem 3 x 3 m großen Raum mit 15 Personen auf 8 Turnmatten
zu pennen und es liebt, auf der Frühstücksschnittchenplatte, die
sich übrigens von der im Backstageraum des Vorabends nur in dem
kleinen Detail unterschied, daß sich der Aufschnitt an den Rändern
nach oben bog und der Käse dunkle Ränder aufwies - die Mäuse zu
zählen. Es bleibt nur zu sagen: ,,Wanderer, erreichst du Suhl, ziehe
schnell weiter."
Nach diesem
Erlebnis konnten wir uns auf Berlin und Leipzig eigentlich nur noch
freuen. Wie immer gab es Probleme mit unserem Autoverleiher, die
diesmal sogar ausarteten. Paule hatte wegen zwei fehlender Sitzbänke
den Chef der Verleihfirma dermaßen durchgeschüttelt, daß er ihm
den Wagen nicht gab und wir auf einen anderen Verleiher zurückgreifen
mußten. Dort bekamen wir dann einen Bus, der zwar 200,-mehr kostete,
dafür aber mit allen nur erdenklichen Schikanen ausgestattet war.
So verfügten wir über ein Schiebedach und eine Klimaanlage, worüber
wir ob der draußen herrschenden Temperaturen von -10~C und einsetzenden
Schneefällen auch sehr froh waren. Der beheizte Aschenbecher und
der von außen verstellbare Innenspiegel sind auch noch zu erwähnen.
Das einzige, was fehlte, war der Kopf, bei dessen Betätigung die
Klappe mit dem Schimpansen aufgeht, der einem die Eier krault, aber
man kann ja nicht alles haben. Die Fahrt konnte losgehen und endete
nach 6 Stunden und 55 Minuten in Berlin an einem Anwesen in der
Sonnenallee, in welchem Anne für den Fall unserer Anwesenheit Lachs,
Streichwürste aus aller Herren Länder sowie Sitz- und Liegeflächen
zum Betten unserer, von der Fahrt geschundenen Körper wie immer
anbot. Paule und ich ließen es sich auch nicht nehmen, bei einem
kleinen vormittäglichen Spaziergang rund um die Sonnenallee ein
paar Glühweinstände unsicher zu machen, sowie in Kaufhäusern Kunststoffdinosaurier
zu kaufen. Gegen 5 fuhren wir dann zum geliebten Pfefferberg und
hielten unseren Sound- und Biercheck ab. Danach lümmelten wir im
Backstageraum herum und vergnügten uns mit den bereitgestellten
Schnittchen. Als neuste Abart in der Bandgeschichte erschien folgendes
Phänomen: ca. alle 15 Minuten erhob sich eine im Raum anwesende
Person, verkündend, daß er nun wohl den prächtigsten Haufen des
Abendlandes zu legen gedenke, um dann unter einer teilweise abenteuerlich
anmutenden Geräuschkulisse in den angrenzenden Sanitärräumen zu
entschwinden. Nach knapp 10 Minuten kam die betreffende Person wieder
aus den Waschräumen, um kund zu tun, daß das Werk vollbracht sei,
die Duftnote seines Vorgängers schon ein verschärftes Kaliber hatte,
das er natürlich bei weitem übertreffe und von daher empfehle, die
Bedürfnisanstalt in den nächsten Stunden nicht zu betreten.
Bei zehn im
Raume anwesenden Personen geht so auch die Zeit rum und unsere Lieblingsvorband
"Loikaemie" startete ihren wie immer guten Gig, der allerdings vom
Publikum etwas mehr honoriert gehört hätte. Vor gut 600 Leuten zockten
dann wir unser Programm und feierten etwas mehr als 2 Stunden ab.
Berlin ist wie immer ein Riesenspaß, wenn genau in diesem Laden
auch knapp ein Jahr zuvor unsere Bandfahne gestohlen wurde, aber
wir hoffen ja immer noch auf eine undichte Stelle beim Diebespack!!!
Nach dem Konzert
gab es noch ein paar Bierlein und sonstige Kaltgetränke. Danach
ging es im Taxi zum Hostel ,,Fabrik", in dem wir diesmal den Schlafsaal
mit 20 Betten für uns hatten. Weil es draußen schneite und wir eh
nur 10 Betten brauchten, haben wir sogar noch einen Penner der auf
einer Parkbank rumlag mitgenommen (unter der Voraussetzung, daß
er duscht), aber auch nur, weil Weihnachten vor der Tür steht.
Am nächsten
Morgen klingelten wir um 11 Uhr am Pfefferberg, wo uns die zwei
bemitleidenswerten (wegen der ihnen bevorstehenden Arbeit) und bewunderungswürdigen
(weil sie wegen ihres schlichten Gemütes nicht merkten, wie bemitleidenswert
sie waren) Putzfrauen. Der mittlerweile fest manifestierte Schneefall
störte ein wenig beim Beladen der Fahrzeuge, und Paule störte durch
seine, alle fünf Minuten einsetzende Bemerkung, daß seine Schuhbändel
gerissen sind. Nachdem wir endlich im fünften Supermarkt, den wir
anfuhren (in zweien lief übrigen toller Easy Listening von Bert
Kämpfert und an einem Laden hing ein Schild mit der Aufschrift:
,,Laden KAPutt, kommen gleicH widder vielleicht!!"), Schuhbändel
gefunden hatten, verfuhren wir uns noch total und verließen Berlin
durch das Brandenburger Tor und vorbei an der Siegessäule sowie
der Bruno-H.-Bürgel-Sternwarte in Spandau, um auf direktem Weg wie
gefordert in Leipzig um 15 Uhr aufzuschlagen. Aufs herzlichste begrüßt
von Gag und seinem unvergleichlichen Trupp zockten wir unseren Soundcheck
durch, natürlich nicht, ohne den einen oder anderen Scherz zu Lasten
von "Stiff Little Fingers" abzulassen. Nach dem Soundcheck hatten
wir noch knapp 4 Stunden Zeit und entschieden uns, dazu ins Hotel
zu gehen, um den Schlafentzug von Berlin ein klein wenig nachzuholen.
Mittlerweile hatten die Schneefälle soweit zugenommen, daß sogar
die berüchtigten Leipziger Taxifahrer (siehe letztes SkinUp # 47)
Schrittempo fuhren. Auf dem Weg zum Hotel überholten wir aber noch
den Weihnachtstruck von Coca Cola (beeindruckend). Der Hammer war
das Hotel, diesmal im positiven Sinn. Gag meinte schon, daß wir
uns benehmen sollten, und das in dem Hotel auch die Gegner von VFB
Leipzig pennen würden. Als Tip brachten wir dann, daß der VFB evtl.
mal die Schiedsrichter dort übernachten lassen sollte, dann steigen
die auch wieder auf.
Die Zimmer waren
für eine Oi!Band genau richtig ausgestattet. Jeder hatte neben der
obligaten Minibar ein Marmorbad mitsamt Seitenbrausen und die Gelegenheit,
auf der Etage kostenlos einen Jacuzzi (der RolIsRoyce der Whirlpools)
zu benutzen. Zudem konnte man natürlich auf verschiedene Wellnessangebote
zurückgreifen (Typberatung, Ohrläppchenmassage ...). Gegen 20.00
Uhr traf ich ~ich mit Ole in der Lounge, um mit je einem Köstritzer
Schwarzbier in der Hand dem Spruch: "The hobby of girl atching is
best pursued with an expertly Schwarzier in hand" gerecht zu werden.
So lässt es sich leben, wenn auch der Working Class-Gedanke hier
ein wenig hinten anstehen mußte.
Um 21 Uhr trafen
wir uns wieder am Eiskeller, um die dort gebotenen Aufläufe und
süßen Nachspeisen im Backstageraum zu vertilgen. Danach war Einlaß,
und ich machte mich auf den Weg, unseren Stand zu öffnen. Kaum hatte
ich ein paar Sachen ausgelegt, kamen auch schon neugierige Hände,
um die Ware zu betatschen (trotz des Schildes ,,Ware nicht betatschen")
und auch zu kaufen. Dies überließ ich dann allerdings unseren Verkaufsprofis
Ferdi, Helge ~ Anne, denen an dieser Stelle nochmals gedankt sei
(wenn auch die Kasse nach dem Sturz eine Differenz von 12 DPF aufwies!!
Das hab ich gleich gemerkt, Ihr schäbigen Lumpen).
Das Konzert
in Leipzig, was man eigentlich grundsätzlich als das SpringtGifel-Ereignis
jeden Jahres nennen kann, war wieder äußerst erfolgreich. Vor ca.
700 Leuten spielten wir 2,5 Stunden, der Nikolaus kam, wie im Jahr
zuvor, pünktlich zum Bierdosentwist auf die Bühne und damit just
zu dem Zeitpunkt, als ich mal kurz von der Bühne bin, um mal kurz
zu pinkeln. Also habe ich, genau wie im letzten Jahr, den Nikolaus
verpaßt. Alle haben ihn gesehen, nur ich wieder nicht, Mist!!! Nach
3 Zugaben beendeten wir den Auftritt, zünftig und standesgemäß mit
einer Rucki-Zucki-Polonäse quer durch das Publikum direkt zur Bierbar.
Danach gab es noch eine kleine Feier zu unseren Ehren und gegen
5 Uhr ging es per Taxi wieder ins Hotel, wo zu früher Stunde noch
der große Rund-Whirlpool in der siebten Etage angeworfen wurde,
in dem wir, zur Freude des Nachtportiers, eine Sturmflut an der
Nordsee inszenierten.
Gegen 11 Uhr morgens trafen die ersten Wasserleichen (aufgedunsen,
übel riechend) im Frühstücksraum auf. Der Kaffeeautomat lief auf
Hochtouren, die Rollmöpse wurden im Fünf-Minuten-Takt nachgeordert,
und der Kochlehrling kam mit dem Orangensaftauspressen nicht mehr
nach (in irgendwas muß man ja das Aspirin lösen).
Die Rückfahrt
gestaltete sich etwas zäh, da sich die Schneeverwehungen mittlerweile
an und auf der Autobahn türmten. Ab Gotha standen wir im Stau, konnten
beobachten, daß Busse wie unsere außer Kontrolle gerieten und mangels
belasteter Hinterachse in den Graben rutschten. Wir werden uns nie
mehr beschweren, daß wir ein Auto voller schwerer Musikinstrumente
haben, die wir ins Auto tragen müssen. Nachdem wir nach drei Stunden
erst 20 Kilometer weit kamen, fingen wir langsam an, groben Unfug
zu machen. Rechts neben uns fuhr/stand seit geraumer Zeit ein Firmenwagen
von ,,Elektro Hirsch" mit zwei müden Gestalten drin. Auf dem Firmenwagen
stand neben der Anschrift usw. auch die Handynummer. Mit dieser
Nummer, einem kleinem Maß an Langeweile, einem mittleren Maß an
krimineller Energie, und meinem D2-Handy konnte Plan A greifen.
Wir wählten die Nummer auf dem Auto, in der Hoffnung, daß der Fahrer
sein Telefon an hatte. An seiner Reaktion konnten wir sehen, daß
sein Handy läutete. Er hob ab und ich sagte zu Ihm: ,,Guten Tag,
hier ist der Hundefriedhof Hochheim, Herr Hirsch schauen Sie doch
bitte mal nach links!" Dies tat er auch und er schaute auf fünf
nackte Arsche. Mit solcher Kreativität bekommt man auch den längsten
Stau in die Knie und man kann mit bester Laune fünf km fahren, um
dann wieder zwei Stunden im nächsten Stau zu stehen. Wir waren dann
nach zwölf Stunden Fahrt in Mainz und gegen 2 Uhr morgens konnte
ich mein obligates Bad nehmen.
Weihnachten
ging vorbei, Silvester auch, und am 09.01.99 hatten wir unser Nachholkonzert
in Görkwitz.
Diesmal war
es etwas ganz besonderes, da wir nun endlich mal fast alle unsere
Damen dabei hatten. Görkwitz (Konzertort) und Oettersdorf (Übernachtungsort)
sind zwei Dörfer, die mit einem gut zwei km langen Feldweg verbunden
sind. Sie liegen in der Nähe von Schleiz in Thüringen. Wenn Ihr
am Autobahnkreuz Teufelstal ca. 15-20 km in Richtung Nürnberg/ München
fahrt, seht ihr plötzlich links ein Windrad. Die Ansammlung von
Gebäuden davor ist Görkwitz. Wenn auch die Autobahn direkt daran
vorbei führt, muß man von der nächsten Abfahrt noch mal gut eine
Stunde über Land rechnen, bis man im Zentrum von Görkwitz ist (fast,
wie wenn man bei Berlin rein will). Aber wenn es auch ein Kuhkaff
ist, spielten dort schon Größen der Ska-, Punk- ~ Oi!-Musik, die
so manche deutsche Großstadt noch nicht gesehen hat. Aber das Tolle
an dem Konzert ist neben dem Spielen das Drumherum. Im Hotel in
Oettersdorf gibt es ein tschechisches Schwarzbier (Tip: sag das
mal laut, es kommen lustige Sachen dabei raus, besonders nach 5
Flaschen tschechischem Schwarzbier) Namens ,,Chodovar" und den brennenden
Schnaps ,,Fischertrunk" (warmes Odol), dem wir schon vor dem Konzert
kräftig zusprachen. Zudem gibt es den schon oben benannten Feldweg,
der die beiden Dörfer verbindet. Hier sieht man auch die Spuren
jahrelangerverbindungen zwischen dem Konzertort ,,Reußischer Hof'
und dem Ubernachtungsort ,,Deutsche Eiche". Im Straßengraben liegen
massenweise leere Bier-, Sekt- ~ Komflaschen von den nächtlichen
Touren der Bands zum Hotel, die vom fleißigem Landvolk zuvor in
Reih und Glied aufgestellten Strohrollen liegen über Feld & Flur
verteilt.
Bei diesem Konzert waren nur knapp 300 Leute anwesend, was aber
für Görkwitz schon eine beeindruckende Zahl ist. Unsere Liebsten
wurden vom Tausendsassa Siggi mit Kaffee, Schnittchen & Spirituosen
verwöhnt, und wir verdienten uns sauer unser Geld auf der Bühne.
Der zwei km
lange Nachtmarsch durchs Feld (unterbrochen durch Wehrrehe, Wolpertinger
& Ilvetritsche) gestaltete sich recht feucht. Am nächsten Morgen
wurden wir in der tiefsten Provinz Zeugen einer Neuerung auf dem
Medienmarkt. Im Frühstücksraum (zu unserer allgemeinen Freude mit
Fanpostern vom FC Bayern München ausgestattet) stand eine Flimmerkiste
mit einer D-Box. Wir hatten also hier im Tal des Todes Zugriff auf
350 verschiedene Fernsehsender. Extra für Ole schalteten wir eine
holländische Talkshow ein. Ei, war das ein Hallo. Die Heimfahrt
gestaltete sich einigermaßen unspektakulär, und wir konnten gegen
21.15, pünktlich zum Heute-Journal, wieder in das bürgerliche Leben
einkehren.
Text :Olaf
|